3. Wachstumsschmerzen
Fremd
in mir
meinem eigenen Leben
meiner Wohnung meinem Land
ungeborgen
all überall
innen und außen
keinen Platz im Weltgetümmel
mutterseelenallein
verlassen verloren
Kleinkind im Erwachsenenkörper
I. Henseler
Psalm
Ich bin aus der Luft geschleudert
ins Meer, ins Tiefe, ins Lichtlose.
Kein Erbarmer-Schiff, Nichts in Sicht,
blinde Augen suchen Lebensland.
Entwurzelt bin ich wie ein Baum,
meine Wurzeln suchen Halt in Luft,
in Meeres Tiefe – ach, schliefe doch
DEIN Geist nicht ganz so fest.
Ich suche, greif, begreife
den Mast, der bricht, DEINE Hände,
suche DEINER Augen-Blick:
Ich will nicht in die Fremde!
Bist DU nicht meine Sonne,
die niemals unter geht?
Nur dunkle Wolken um mich her –
wo ist DEIN Versprechen?
Bau mir ein Haus in DEINER Nähe,
gib mir ein Bett in DEINEM Trost,
sei mir Antwort auf die Fragen,
die DU selbst gestellt.
Nie willst DU uns verlassen,
willst immer bei uns sein.
Bist DU nicht doch die Sonne,
die ewig allen scheint?
Annegrete Feckler
Das Lebenslied
Heute sing sie es in Moll,
ihr Lebenslied.
Ihre Stimme klingt rau.
Sie träumt davon,
ein Apfelbäumchen zu pflanzen,
um eines Tages mit ihm
im Duett singen zu können.
Doch ihre Angst,
das Bäumchen möge nicht wachsen und krank werden,
ist groß.
Vielleicht bliebe die Baumkrone leer,
vielleicht
gäbe es keine duftenden Apfelblüten
und keine wohlschmeckenden Äpfel
in ihrem Lebenswald.
Vielleicht.
Aber ihr Traum
Pflanzt unzählige Bäume
Und so
Wird aus dem Lebenslied
Ein harmonischer Chorgesang.
nn
Ich habe mein Wort gefunden.
Doch es ist ein Wort, das ich nicht mehr sage,
das ich absolut verschweige und negiere.
Denn es verursacht Schlafstörungen,
Beziehungsideen, Psychose, Klinik
und zum wiederholten Male
schwere Medikamente.
Die Bücher sind hinter einem Brett,
es ist wohl zu schön, um wahr zu sein,
die Welt auf die Füße zu stellen.
Auch wenn die Unteraspekte
ganz gesund zu sein scheinen,
als da sind
Gottesdienst, Jüngerschaft,
Ethik und Ästhetik, das Gute,
herzensradikal und wesenserotisch.
Und so ist absolute Vorsicht angesagt,
das Leben weiterhin zu genießen,
und Spaß soll es machen,
und schön soll es sein,
mit einer großen Vorsorge
einer ganzheitlichen Gesundheit
wie beim täglichen Sonnenaufgang.
Paul Kehren
Heimweg
Es ist Winter. Lange haben wir auf ihn gewartet. Nun ist er da, seit drei Tagen ist es bitter kalt. Für manche gar lebensbedrohlich kalt. Ich ziehe mir den Schal bis unter die Brille. Meine Nase brennt lichterloh. Aber die kalte Luft ist sternenklar. Auf meinem Weg fährt nicht nur mein Rad. Meine Gedanken sausen über graue Autobahnen. Düstere Einbahnstraßen lassen mich gegen die Wände laufen. Meine schwarzen Gedanken verschwimmen mit dem alles schluckenden Schwarz der Nacht. Ich werde so unsichtbar, dass niemand uns mehr trennen kann. Doch dann schleicht sich eine Melodie in meine Gedanken. Nein, es ist gar keine Musik! Ich spitze meine Ohren unter der dicken Mütze. Es sind die Schreie der Kraniche, die ich über mir höre. Sie müssen bis zum Kälteeinbruch hier überwintert haben und ziehen erst jetzt in wärmere Gefilde. Der Gedanke an die vielen unsichtbaren Tiere über mir lässt mein Herz leuchten. Wie der Mond erhellen sie meine finstere Nacht. Die Freude sieht das Licht und kommt augenblicklich herein.
Danke, dass ihr mich an die Liebe erinnert habt!
Andrea Schulze Brüning
Schmerz: bin ein geknicktes Rohr
gerade heute ein Zeichen: die Begegnung mit Hanne
krank auf den Tod
tapfer wacker
die Äuglein klar
ein Strom von Zuneigung zwischen uns
Umarmung einander haltend
ich klage für Sie im Gebet
nun aber voller Freude
durch die Begegnung mit ihr,
das Leuchten in den goldenen Lindenblättchen
hüpfend auf dem Rad
der Strauß Astern Gänsefingerkraut
Dahlie, Rose, lila Herbstaster
kleine winzige gelbe Sonnen
gebettet in Orange rote Dahlien
Gesichter rot rot rot
so fühle ich den Herbst
nicht Abschied
sondern Geschenk
in der Begegnung mit Natur
so voller Leuchtkraft
und in der unvermuteten Begegnung mit
dieser tapferen Freundin
mein Herz wird weit
weit wird mein Herz
Angelika G.
Immerwährende Kraft der Erneuerung
Wie die glühende Kohle, die man aus der Flamme holt, trennt und isoliert, bei Seite legt, verliere ich mein Glut, meine Flamme, meine Wärme und Temperatur. Langsam, allmählich verschwindet gänzlich die Hitze, alles beruhigt sich und schwarz grau liege ich auf dem Boden.
Ich habe das Gefühl, dass ich nicht bei mir angekommen bin, nicht meinen Körper bewohne und immer noch unterwegs bin.
Plötzlich trifft mich ein Blitz. Ich zünde eine Kerze an und warte auf die nächste Welle,
um darauf zu springen, zu gleiten, mit dem Fluss zu strömen.
Es gibt viele, unzählige, unendliche Wellen, denn das Meer ist gütig und unerschöpflich, unendlich.
Es schenkt jeden Moment eine neue Welle, ein neues Leben!
Kamran Djahangiri
Ich frage mich in meinen stillen Stunden
kann ich in die Tiefe meiner Seele hinabsteigen?
Kann ich dich erkennen so wie du bist?
Muss ich dir meine Liebe zeigen?
Kann Gott den Wohlgeruch der Erkenntnis über mich aussenden
kann ich auf den Grund alles Seins vorstoßen?
Ich frage mich in Stillen Stunden
Kann ich jemals einen Schein der göttlichen Weisheit erhaschen
kann ich meinem Nächsten mit Wohlwollen und Liebe begegnen?
Kann ich die Spur in mein Leben eingraben, die Gott mir zugedacht hat?
Kann ich lernen meinen Schmerz in eine Perle zu verwandeln?
Andrea Schumacher